Wetter: 20 Grad (Sonne & wenige Wolken); gesehene Spinnen: 0
Um kurz nach 7 morgens wurde ich von Sophie, Kay und Johanna zuhause abgeholt und wir fuhren mal wieder aus Sydney hinaus. Diesmal mit einem mulmigen Gefuehl, denn wir Maedels waren alle muede und aufgeregt vor unserem Sprung.
Auch die Musik im Radio hatte an diesem Morgen alles andere als eine beruhigende Wirkung, denn als wir auf den Highway fuhren, hatten sich die DJs ueberlegt ausgerechnet heute mal wieder ein paar Kracher wie „Knocking on Heaven’s Door“ oder „Highway to Hell“ aufzulegen. Ich war ja um 6h schon mit „Der letzte Tag“ von Peter Fox geweckt worden und als dann im Radio auch noch „If today was your last day“ von Nickelback angestimmt wurde, bat ich Kay doch bitte den Sender zu wechseln.
Gegen Viertel nach 8 erreichten wir die Base der Sydney Skydivers in Picton. Es war schon eine ganze Reihe Leute dort: Skydiving Instructors, Skydiving Students, Hobbie – Skydiver und dann Leute wie wir. Man erkannte sie daran, dass sie nervoes auf Baenken sassen oder in der Gegend rumliefen. Wir suchten uns einen Tisch und fuellten unsere Vertraege aus. Besonders beruhigend fanden wir die Zeile: „Accidents can, and do often, happen and people can get seriously injured or killed.” und in diesem Satz besonders die drei Worte “AND DO OFTEN”!!! So konnte ich mich nicht zurueck halten und fragte nochmal kritisch nach, als ich meinen Vertrag unterschrieben zurueck geben sollte, wann denn das letzte mal jemand bei einem Tandemsprung gekillt worden ist. Die freundliche Dame an der Information sagte dann Gott sei dank, dass das letzte mal 1986 gewesen sei und das waere auch nicht auf dieser Base passiert. 23 Jahre ohne Todesfall, damit konnte ich leben, denn wenn man in Australien jemanden fragt, ob das Wasser sicher ist, bekommt man generell Antworten wie: „Ja klar, es gab schon seit bestimmt 3 Monaten keinen Hai – Angriff mehr!“.
Die Wartezeit vertrieben wir uns damit, dem ersten Flugzeug beim Starten und den ersten Skydivern beim Landen zuzusehen. Okay, alle gelandet, keine Knochenbrueche oder Todefaelle. Das war schonmal sehr gut und je mehr wir zusahen desto mehr sehnten wir uns nach dem Moment, in dem wir endlich aufgerufen werden. Haetten wir es doch auch endlich hinter uns! Kai nahm derweil unsere letzten Willen auf Band auf und schliesslich wurden wir zum Ankleiden bestellt. Jede von uns wurde in einen schicken rot-gelben Anzug und ein Geschirr mit mehreren Karabinerhaken gesteckt, was einem das Gefuehl vermittelte, man wuerde gleich mit den anderen Darstellern von „Armageddon“ das Raumschiff besteigen, um den erdbedrohenden Meteroiden zu zerstoeren. Aber naja, sooo hoch sollte es ja nun auch nicht hoch gehen…
Als die kleine Ampel im Flieger auf rot schaltete, mussten alle aufstehen und Adrian schnallte mich erst vom Flugzeug ab (wir hatten alle auf dem Boden gesessen und waren dort angeschnallt worden) und dann an sich dran. Jetzt wusste ich, dass es definitiv kein Zurueck mehr gab. Die Ampel schaltete auf gelb und die Heckklappe oeffnete sich und als gruen aufblinkte, sprang der erste Skydiver ab. Er hatte sogar ein Skyboard dabei und ich haette gern mal gesehen, wie man damit fliegt, aber leider war ich in dem Moment zu sehr mit mir selbst beschaeftigt. Eine Sekunde spaeter verschwand Johanna aus meinem Blickfeld und dann war ich dran. „Nicht runtergucken!“ dachte ich nur bei mir und hoerte auch schon wie Adrian mir „Legs back!“ ins Ohr rief, das Zeichen fuer mich, die „sichere Sprungstellung“ (Kopf in den Nacken, Huefte nach vorne, Beine nach hinten anwinkeln) einzunehmen. Ich wusste, dass ich damit den letzten Boden unter den Fuessen aufgab und im selben Moment sprang mein Instructor ab…
…was dann kam, war einfach nur toll! Ich hatte den Mund zum Schreien aufgemacht und wartete auf das Gefuehl, dass man in Freefalltowern in Heidepark oder Movieworld bekommt. Aber es blieb aus! Ich musste gar nicht schreien und war so verbluefft davon, dass ich vorsichtshalber noch einen Moment den Mund aufliess. Und dann genoss ich einfach 50 Sekunden freien Fall! Naja, was heisst freien Fall…es ist mehr wie schweben, denn man faellt von dort oben nicht wie ein Stein zu Boden. Eine ganz andere Art als im Freefalltower und gar nicht damit zu vergleichen. Adrian klopfte mir nach wenigen Sekunden auf die Schulter, was fuer mich das Zeichen war, meine Arme auszubreiten, die ich am Anfang gekreuzt ueber der Brust halten musste.
Der gesamte Sprung war dann einfach viel zu schnell vorbei! Langsam kamen die Baeume und auch die Menschen, die uns von unten beobachteten, wieder naeher und mein Instructor setzte zur Landung an. Das hiess fuer mich Beine nach vorn und schwups sass ich mit dem Po im Gras auf dem Landeplatz und fuehlte mich ein bisschen wie Bridget Jones (gut, dass keine Schweinegrube in der Naehe war!). Adrian kniete hinter mir und gratulierte mir zum gelungen Sprung.
Zur Landung musste ich auch ein paar Worte in seine Videokamera sprechen, aber all die witzigen Dinge, die ich mir vorher ueberlegt hatte, fielen mir natuerlich in dem taumeligen Zustand meines adrenalingeladenen Koerpers nicht ein. Ich stammelte als waere ich grad zur Miss Australia gewaehlt worden. Mein Gehirn hatte auf Standby geschaltet und ich konnte, nachdem ich von dem Schirm befreit wurde, nur noch auf Johanna und Sophie zuspringen, die sich am Rand des Feldes schon lachend in den Armen lagen.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht warteten wir nur noch auf unsere Videos und Zertifikate, denn wir sind ja jetzt alle fuer zwei Monate offizielle Mitglieder des „Australian Parachutist Clubs“ und haben einen entsprechenden Parachutist Schuelerausweis bekommen.
Ich wuerde es auf jeden Fall wieder machen und kann es jedem nur empfehlen! Aber man sagt ja leider, dass das Gefuehl beim ersten Sprung von keinem der kommenden Spruenge ueberboten werden kann…
Ihr koennt euch sicherlich vorstellen, dass wir nach dem Sprung ganz schoen geschafft waren…und hungrig, aber das scheint ja momentan bei uns ein Dauerzustand zu sein. Also assen wir lecker Thai in einer nichtssagenden Stadt namens Campbelltown (wieder Bogan Alarm!) und fuhren dann nach hause, wo ich erstmal allein einen ausgiebigen Spaziergang durch Balmain machte und die Sonne genoss, um wieder ein bisschen runterzukommen.
Wie schrieb Katrin so schoen in ihrer SMS nach meinem Sprung: „Wenn man vom Himmel faellt, kann einen bestimmt erstmal nichts mehr schocken!“.
~ines
Schreibe einen Kommentar